brand eins 11/2013

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Titel: Richtig Schluss machen

Schwerpunkt: Trennung

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Gabriele Fischer in ihrem Editorial:

Das böse, schöne Wort

• Ich verdanke die größten Fortschritte in meinem Leben Trennungen. brand eins gäbe es nicht, hätte uns der »Spiegel«-Verlag nicht vor die Tür gesetzt und hätten wir nicht ein Jahr später unser Vorgängermagazin »Econy« verlassen. Vielleicht deshalb war Trennung für mich immer ein Wort, das Aufbruch verhieß, nicht Schmerz.
Damit bin ich als Journalistin eigentlich im falschen Beruf, denn Trennungsdramen sind großes Kino, vor allem auf dem Boulevard (S. 146). Und auch in der Wirtschaft liegen die Nerven blank, wenn eine Seite sagt: „Das war’s“ – obwohl das Auseinandergehen hier fast schon Alltagsgeschäft ist.
Unternehmen fusionieren und trennen sich, sie steigen auf und auch wieder ab, Mitarbeiter entwickeln sich und ziehen weiter, oder sie entwickeln sich nicht und müssen gehen: Alles ist immer in Bewegung. Warum ist die Trennung dann immer wieder ein Schock?
Weil eine Kündigung den Betroffenen erst einmal die Stabilität nimmt, sagt die Beraterin Roswita Königswieser. Sie geraten ins Schwanken, die alte Identität ist nach dem Erhalt der Trennungsnachricht verunsichert (S. 56). Das gilt für jeden, auch für den Vorstand (S. 132). Das gilt sogar, wenn einer wie Wolfpeter Hocke den Abschied selbst einleitet und die Trennung will (S. 138). Und das wird schier unerträglich, wenn das Ende ungerecht, ja, willkürlich erscheint: Die einstigen Mitarbeiter des Handyproduzenten BenQ hadern bis heute – nicht ­unbedingt mit dem Ende, wohl aber mit dem Gefühl, verschaukelt worden zu sein (S. 80).
Erstaunlich gefasst gehen dagegen die Menschen in der Schlecker-Heimat Ehingen mit der Pleite ihres einst erfolgreichsten Mitbürgers um (S. 74). Und geradezu heldenhaft ist der Widerstand der Belegschaft der havarierten Fluglinie Lloyd Aéreo Boliviano gegen das drohende Ende (S. 102). Aber schließlich ist gerade die Wirtschaftsgeschichte voll von angekündigten Toden, die nicht eingetreten sind. Wer hätte zum Beispiel erwartet, dass es die 2004 von IBM abgestoßene PC-Sparte beim chinesischen Lenovo-Konzern zu neuer Blüte bringt (S. 90)?
Trennung klingt noch immer nach Drama und wird auch gern dazu gemacht – zumindest von denen, die wollen, dass alles bleibt, wie es ist. Die anderen kennen zwar auch das Gefühl der Wehmut, wenn man etwas hinter sich lässt, lassen sich davon aber nicht aufhalten (S. 126). Auch dann nicht, wenn es wie bei der Aussteigerin Gabriele Mäule schmerzt (S. 144).
Der Trennung die Schwere zu nehmen, das wäre eine Aufgabe, die in die Zeit passt. Dabei hilft schon mal die digitale Welt, die uns stets und ständig zum Abschied von irgendetwas zwingt (S. 86). Dabei hilft noch nicht das deutsche Kündigungsschutzrecht, das die Kündigung als größten anzunehmenden Unfall sieht (S. 136). Aber dabei helfen ganz sicher Unternehmer wie Zach Klein (S. 70). Der Gründer der Video-Plattform Vimeo betrachtet Leben als Entwicklungsaufgabe, bei der Sprünge erfreulich und Trennungen notwendig sind. „Es ist verrückt“, sagt er, „dass wir in einer Welt leben, in der sich Menschen in ihrer Karriere eingesperrt fühlen. Sie haben das Wissen gratis vor der Nase, um mehr aus sich zu machen, aber sind zu Geiseln all dessen geworden, was sie in ihren Werdegang gesteckt haben.“
Das wäre doch was, von dem man sich trennen könnte.

Gabriele Fischer
Chefredakteurin

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