brand eins 07/2004

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Titel: Ganz oder gar nicht

Schwerpunkt: Radikal

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer in ihrem Editorial:

Radikale rein.

• Es ist schon seltsam, welche Karieren manche Worte machen. In den siebziger Jahren war das Wort „radikal“ so übel beleumundet, dass sich Alice Schwarzer von der selbst gewählten Bezeichnung als Radikalistin lieber wieder verabschiedet hat (S. 102). Und heute, hat Wolf Lotter in seiner Auseinandersetzung mit dem „Wurzelziehen“ herausgegoogelt, verwendet Gerhard Schröder das Wort so gern, dass es gleich 15.700-mal im Zusammenhang mit seinem Namen erscheint. Edmund Stoiber bringt es immer noch auf 7500 radikale Kombinationen (S. 56). Radikal ist in.Überall, wo etwas zu verändern ist, tun es Manager wie Politiker gern radikal. Zumindest sagen sie das. Als wollten sie mit dem kraftvollen Wort zaghafte Taten überdecken. Verbalradikale sind denn auch hier zu Lande häufiger als die echten. Was nicht heißen soll, dass einer, der mit Worten kämpft, nicht auch ein Radikaler sein kann. Der beste Beleg dafür ist Karlheinz Deschner, „der wohl kompromissloseste Autor und Denker im deutschsprachigen Raum“, wie die »Weltwoche« schrieb. 80 Jahre ist er alt und fest entschlossen, seine auf zehn Bände angelegte „Kriminalgeschichte des Christentums“ zu vollenden: Die Kunst, sagt er, sei es, an seinen Zweifeln nicht zu verzweifeln (S. 116). Steven Jobs hat damit weniger Last. Der Sonnengott des Silicon Valley ist nicht für kritische Selbstzerfleischung bekannt – in Sachen Kompromisslosigkeit aber kann er sich mit Deschner durchaus messen. Selbstbezogen bis zur Egozentrik, hat er nie von seiner Vision gelassen: kalte Technik zu emotionalisieren. Gleich, ob es die Firma kostet oder den eigenen Job (S. 88). Wer radikal ist, will nichts verstecken. Er will an die Wurzeln, will Grundlagen schaffen für einen Neubeginn. Und er nimmt dafür in Kauf, nicht von allen geliebt zu werden. Einer der Gründe, warum Manager und Politiker so selten Radikale sind. Alfred Herrhausen war eine der Ausnahmen. Jener Chef der Deutschen Bank, der schon in den achtziger Jahren über die Macht der Banken philosophierte, Schuldenerlass für Entwicklungsländer forderte und Anstand für eine Manager-Tugend hielt (S. 96). Weitsichtig war er. Und wieder: kompromisslos. „Opportunisten“, sagt Alice Schwarzer, „können nicht radikal sein.“ So ist auch, was derzeit die Republik erschüttert, weit von der gern beschworenen radikalen Lösung entfernt: Wer Hartz IV, radikal, kennen lernen möchte, reist am besten ins Nachbarland Dänemark (S. 66). Und wer angesichts dieser Wirklichkeit lieber doch an die Wurzeln gehen will, dem sei Frithjof Bergmann empfohlen: einer der wenigen, die zu Ende denken, wie eine Gesellschaft aussehen kann, der die Erwerbsarbeit ausgeht (S. 74). Radikal. Gut.

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