brand eins 06/2009

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Titel: Was wirklich zählt.

Schwerpunkt: Identifikation

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer in ihrem Editorial: Die Spitze der Pyramide

• Der Kapitalismus hat sich verschluckt. An seiner Gier. Und an der absurden Idee, dass alles egal ist, solange die Kasse stimmt. Als wüsste nicht jeder, der schon einmal mit dem Rücken an der Wand stand, dass Geld nur dann die ihm gern zugeschriebene Bedeutung erlangt, wenn es ums Überleben geht. Was aber dann? Was zählt wirklich, wenn wir an unser Arbeitsleben denken, das für viele ein großer, wenn nicht der größte Teil des Lebens ist? Die gängigste Antwort fand der amerikanische Psychologe Abraham Maslow schon in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts: Wenn die Grundbedürfnisse erfüllt sind, so legt die Maslow-Pyramide nahe, geht es um Anerkennung und, großes Wort, Selbstverwirklichung (S. 46). Das klingt bekannt, sogar plausibel. Trotzdem wurde es gerade dann vergessen, als unserem Wirtschaftssystem die Befriedigung der Grundbedürfnisse nahezu perfekt gelang. Ausgerechnet da schien nur noch das Geld zu zählen, zumindest in jenem Teil der Wirtschaft, auf den im Moment unsere Aufmerksamkeit, krisenbedingt, gerichtet ist. Anerkennung und Selbstverwirklichung? Die findet man schwer an Börsen, in Banken oder Konzernen. Die findet man dort, wo Gewinn und Gehalt zwar wichtig, aber nicht alles sind. Im beschaulichen Heidelberg zum Beispiel, wo der Stiftehersteller Lamy seit fast 80 Jahren eine leise Erfolgsgeschichte schreibt (S. 106). Das Rückgrat der Marke ist das Design, doch das Herz schlägt, weil "Verantwortung" bei Lamy nicht nur in der Unternehmensbroschüre steht. Oder Hermès, jener Luxusproduzent, für den es der größte Luxus ist, knapp 8000 Mitarbeiter konsequent auf Spitzenqualität einschwören zu können (S. 72). Das französische Familienunternehmen, 172 Jahre alt, hat sich seinen eigenen Markt geschaffen, auf dem die Regeln des späten Industrialismus nicht gelten: Nicht der billigste Standort ist gut genug, gesucht wird der Ort, an dem Menschen, was sie tun, am besten können. Doch ist Wirtschaft, so verstanden, nicht selbst ein Luxus? Nur möglich, solange Unternehmen noch einigermaßen funktionieren? Max Schön, Familienunternehmer in Sachen Stahl und Küchen, macht die entgegengesetzte Gleichung auf: Nur wenn die Identifikation von Management und Mitarbeitern stimmt, hat ein Unternehmen in Krisenzeiten eine Chance (S. 112). Das zeigt, in schöner Klarheit, der Fall Sinn-Leffers. Die Modekette, in jahrelangem Missmanagement zermürbt, hat eine letzte Chance, weil sowohl der Investor wie auch das Management und die Mitarbeiter wissen, warum sich der Einsatz für genau dieses Unternehmen lohnt (S. 100). Wie wertvoll solche Gewissheit ist, wird deutlich, wenn sie wie bei Tchibo zu schwinden droht (S. 90). Oder wenn, wie beim Deutschen Roten Kreuz, zwei Identitäten miteinander streiten (S. 76). Denn Identifikation ist eine starke Kraft. Die sogar, wie bei den Sofortbildern von Polaroid, Menschen dazu bringen kann, wider alle Vernunft zu ihrer Idee zu stehen (S. 54). Und das Geld? Kann auch eine Menge bewirken, solange man weiß, wofür man es einsetzen will. Andernfalls ist es nichts weiter als ein Ersatz. Für das, was man sich nicht kaufen kann.

Gabriele Fischer Chefredakteurin

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