brand eins 04/2007

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Titel: Ich versteh´die Welt nicht mehr!

Schwerpunkt: Entfremdung

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer in ihrem Editorial:

Fremdheitsgefühle

• Es war Liebe auf den ersten und den dritten Blick. Beim zweiten war ich eher verstört: Der neue iPod, so gut er mir gefiel, war irgendwie schwer zu bedienen. Doch das lag nicht am Gerät und auch nicht an meiner tiefen Abneigung gegen Bedienungsanleitungen: Ich dachte nur zu kompliziert. Eine Technik, die es dem Benutzer so einfach wie möglich machen will, war ich nicht gewohnt. Wir haben uns eingerichtet in einer Welt, die uns ständig überfordert. Wir passen uns an, versuchen mitzukommen. Und fühlen uns doch immer wieder abgehängt. Die Technik, die Politik, das Leben – selbst den eigenen Versicherungsvertrag versteht man nicht mehr. Wie soll man sich da noch zurechtfinden, als Mensch, fremd in seiner eigenen Welt ...? Zum Beispiel, indem man wie bei Apple Technik nicht nur für Ingenieure, sondern für ganz normale Menschen denkt (S. 124). Indem man aus der Unübersichtlichkeit des Versicherungswesens eine charmante Geschäftsidee macht (S. 108). Oder, wie etwa die Mehrheit der Schwarzarbeiter, einem unvernünftigen System vernünftige Lösungen gegenüberstellt (S. 94). Entfremdet, also ausgeliefert, fühlt sich dagegen, wer hofft, alles könnte bleiben, wie es ist – oder, schlimmer noch, hofft, es könnte wieder werden wie früher. Das ist in unruhiger Zeit ein durchaus menschlicher Impuls und doch nicht ganz der richtige Weg. Niemand habe Anspruch darauf, im Wagen sitzen zu bleiben, wenn er nicht versuche, sein Schicksal in die Hand zu nehmen, stellt Wolf Lotter mit Blick auf die Entfremdung vor allem in Großunternehmen fest: „Der Fachbegriff aus dem Straßenverkehr dafür lautet nicht: bremsen. Er lautet: lenken.“ (S. 54) Dass das im Unternehmensalltag nicht einfach ist, haben wir uns schon gedacht. Wie schwer es aber ist, eine bremsende Organisation zu lenken – das zeigt sich in kaum einem Unternehmen so plastisch wie in der guten alten Siemens AG (S. 74). 160 Jahre Erfolgsgeschichte sind so wenig wegzudiskutieren wie Korruptionsskandale und die wachsende Entfremdung zwischen Belegschaft und Management. Roman Pletter wollte diesen Koloss verstehen, wollte wissen, wie das System Siemens funktioniert. Am Ende waren die Skandale für ihn nur ein Nebensatz in einem Stück, in dem sehr viel Grundlegenderes passiert. Wer nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern verstehen will, der hat gute Chancen, dem Gefühl der Fremdheit zu entgehen. Denn oft gibt es eine Erklärung für das, was uns befremdet. Die Preispolitik vieler Unternehmen zum Beispiel, die uns zunehmend das Gefühl für Wert und Werte nimmt, ist bei Lichte betrachtet nichts anderes als das, was wir ahnten: eine ungesunde Mischung aus Desorganisation und Stümperei (S. 90). Und auch der „Klimakatastrophe“ werden wir nicht Herr, wenn wir nur blind auf alle Bremsen treten: Erst sollten wir wirklich verstehen, was da passiert, mahnt der Klimaexperte Heinrich Miller. Und dann kommen eine Menge so anstrengender wie faszinierender Aufgaben auf uns zu (S. 112). Die Welt wird fremd, wenn sie sich ändert. Die Welt wird noch fremder, wenn alles wird, wie es vor 100 Jahren war (S. 68). Die gute Nachricht ist, dass sich der Mensch, das anpassungsfähige Wesen, an beides gewöhnen könnte. Die bessere Nachricht ist: Wir können uns auch daran gewöhnen, dass es besser wird als gestern.

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